Aber bitte mit Stil

Wir Journalisten haben Stil.

Ich rede hier nicht von Umgangsformen (die von uns Journalisten sind ohnehin tadellos). Auch nicht von Anziehsachen (wir wissen ohnehin, wie man sich perfekt kleidet).

Ich rede von journalistischen Stilformen.

Lassen Sie mich erklären. Für Sie, den Nichtjournalisten, sind Texte meist einfach Texte. Sie sind (hoffentlich) interessant geschrieben – und fertig.

Wir Journalisten klöppeln jedoch nicht einfach munter auf der Tastatur herum und heraus kommen fertige Meisterwerke. Nein, wir müssen unser Handwerk lernen – und dazu gehört auch, dass wir um die verschiedenen Stilformen Bescheid wissen.

Es gibt zum Beispiel die Form der Reportage. „Gih mol raus und mach en Reportasch“ – viele junge Kollegen haben diesen Auftrag schon von ihrem Chef bekommen und wussten dann genau, was sie tun sollten: einen lebendig geschriebenen Text verfassen, der den Leser wie in einem Kinofilm in eine andere Welt mitnimmt. Der mitreißt. Der den Leser riechen, hören, schmecken, sehen lässt, was man als Journalist bei der Recherche gerochen, gehört, geschmeckt und gesehen hat.

Das ist aber nicht objektiv, sagt nun der Nichtjournalist warnend. Stimmt. Soll die Reportage auch gar nicht sein! Wer es objektiv haben will, der greift zur Stilform des Berichts. Sachlich, nüchtern formuliert. Das Wichtigste an den Anfang, so muss es seit Jahr und Tag sein.

Zu langatmig? Keine Sorge, auch dafür haben wir etwas im Köcher: Dann verfassen wir eine Meldung. Kurzes Lead – kein Gesinge, sondern die W-Fragen knackig geklärt. Dann der Body – das Futter zur Meldung, damit Sie, lieber Leser, auch wissen, was passiert ist. Alles auf 15 bis 20 Zeilen. Zack, zack.

Aber da steht gar nicht drin, was der Journalist von der ganzen Sache hält? Natürlich nicht, die Meldung und der Bericht sind ja objektiv! Wenn Sie Meinung hören wollen, dann lesen Sie einen Kommentar von uns. Dort breiten wir ausführlich aus, was wir für richtig halten.

Nicht lustig genug? Nichts leichter als das – dann greifen wir nach der flotten Feder und verfassen eine Glosse. Überspitzt, ironisch, pointiert.

Sie sehen: ein Blick in den Köcher des Journalisten zeigt, dass wir eine Menge Pfeile zur Verfügung haben, um nach Ihnen zu schießen, lieber Leser. Schiefes Bild – Verzeihung.

Wollen wir doch mal testen, ob Sie Stilformen erkennen können. Na, wozu gehört der folgende Text, den ich kürzlich schrieb?

 

Als der Schimmel verlor

Silikon ist nur etwas für echte Kerle. Wer sich ans Silikonen traut, ist auf der Heimwerkerskala ganz schön weit oben. Mein Vater und ich haben silikont. Nicht, weil wir was gegen Handwerker haben, sondern weil wir ein Gemeinschaftserlebnis wollten. Nur wir zwei gegen den Schimmel in der Dusche. Unsere Waffe: die Silikonpistole.

Und allerlei anderer Krams, den wir uns zuvor im Baumarkt aufschwatzen ließen. Ganz große Klasse: der Altes-Silikon-Rausschneider. „Ma!“, entfuhr es meinem Vater (gebürtiger Tiroler, da ruft man so, wenn man erstaunt ist), als er das Messerchen angesetzt hatte. Wir schauten gemeinsam hin: Das Silikon wurde entfernt, ja. Und gleichzeitig zwei hübsche parallele Schnittstreifen in die Fliesen gezogen. Da ich kein Fan solcher Verzierungen bin, friemelten wir das Silikon nach diversen Versuchen mit dem Teppichmesser heraus (Küchengeräte bekamen wir nicht von meiner Frau).

Dann wurde entschimmelt und zu guter Letzt das neue Silikon mit der Spritzpistole (ähnlich wie beim Plätzchenbacken, liebe Frauen und Kinder) aufgetragen. Wir waren stolz auf unser Werk, und beim Abendessen gockelte ich: „Ha, besser ging’s einfach nicht.“ Meine Frau ließ Messer und Gabel sinken: „Was willst du mir damit sagen?“ Sprach’s und flitzte ins Badezimmer, um nach dem Rechten zu sehen. Gottlob, das Vater-und-Sohn-Werk wurde abgenommen.

Ein tolles Gemeinschaftserlebnis, wirklich. Und unsere Dusche sieht aus wie neu. Der Schimmel übrigens auch – der fühlt sich unter dem neuen Silikon pudelwohl und gedeiht wieder prächtig. Ich muss meinen Vater dringend mal wieder anrufen.

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