Do you speak English?

Ohne Englisch sind Sie in meinem Job aufgeschmissen. Ratzfatz sehen Sie sich Menschen gegenüber, die nicht aus Deutschland kommen, und wenn Sie dann nicht English speaken, ist der Ofen aus. Ich darf von mir behaupten, dass ich des Englischen wirklich mächtig bin. Wir sind beste Freunde, das Englische und ich.

Meistens.

Ich sollte einmal ein Interview mit dem weiblichen Star von „Lord of the Dance“ machen, eine super berühmte Solotänzerin, deren Name mir leider gerade nicht mehr einfällt. Wenn es Sie interessiert, googeln Sie mal „Lord of the Dance und superberühmte Solotänzerin“ – dann wissen Sie, von wem ich rede.

Wir hatten uns zu einem Telefoninterview verabredet, und wie es guter Brauch bei Journalisten ist, hatte ich mich vorbereitet und mir einige Fragen zurechtgelegt. Natürlich schon auf Englisch, damit mein Hirn nicht während des Livegesprächs Übersetzungsaufgaben zu leisten hatte.

„Hello, this is Michael from the Rhine Zeitung“, stellte ich mich im perfekten Businessenglisch vor, und die superberühmte Tänzerin – die aus Schottland stammte, wie ich recherchiert hatte -, antwortete fröhlich und rasant.

Ich verstand kein Wort.

„Ah, yes“, sagte ich höflich. Ich ging davon aus, dass sie einfach ihren Namen genannt hatte.

Ich schoss also mit der ersten Frage los – und sie schoss gut gelaunt mit einer rasend schnell gesprochenen Antwort zurück.

„Ah, yes“, sagte ich höflich, denn ich verstand kein Wort.

Irgendwann hörte sie auf zu reden.

Sekundenpause.

Ich räusperte mich und fragte meine zweite Frage.

Sie lachte schallend – ich wusste gar nicht, dass die Frage so funny gewesen war – und antwortete rasend schnell und ausführlich.

„Ah, yes“, sagte ich höflich, denn ich verstand kein Wort.

Als sie erneut aufhörte zu reden, stellte ich die dritte Frage. Dann die vierte, die fünfte.

Der Tanzstar hatte blendende Laune, lachte, vielleicht flirtete sie sogar, ich weiß es nicht, denn ich verstand dank ihres schottischen Akzents kein Wort.

Irgendwann hatte ich alle Fragen gestellt, verabschiedete mich, sie lachte herzlich, und ich legte auf.

Zum Glück hatte ich das komplette Interview aufgezeichnet – sodass ich es mir Passage für Passage anhören konnte. Und tatsächlich: Als ich mich nach und nach einhörte, wieder und wieder dieselbe Stelle abspulte, verstand ich meine Interviewpartnerin – und ich konnte das Interview schließlich doch ins Deutsche übersetzen und verwenden.

Doch dies war noch nicht mein Worst-Case-Erlebnis. Ich durfte Joseph Kosinski, den Regisseur des Disneyfilms „Tron – Legacy“, interviewen – ein Film, in dem die Geschichte eines Menschen erzählt wird, der in einen Computer eindringt und dort Abenteuer erlebt.

Meine – durchaus komplexe – Idee war es nun, mit dem „Tron“-Regisseur eine Gedankenreise zu machen: Wie wäre es, wenn er in sein eigenes Notebook, seinen Laptop, eindringen könnte? Was würde er dort finden? Uralte Dateien aus seiner Jugend, Schadsoftware, vergessene Bilder?

Ich fragte ihn also zunächst, ob er viel mit seinem Notebook arbeitet – was er bestätigte. Er wäre sehr old fashioned und würde sein Notebook immer mit herumtragen. Ich wunderte mich, warum dies old fashioned sein würde – aber egal. Und ich fragte weiter: Ob er sich mal überlegt hätte, in sein Notebook einzudringen?, fragte ich auf English – „Did you ever dream about going into your own Notebook?“ Und was würde er dort wohl vorfinden?

„Äh“, zögerte der „Tron“-Regisseur und fragte, ob ich meine Frage wiederholen könne.

Ich versuchte es anders und fragte, wie er sich das Innere seines Notebooks vorstellen würde. „Äh – squared“, war die zögernde Antwort – „kariert“.

Nun verstand ich nur Bahnhof und begann zu stottern. Ich merkte: „Ui, des wird nix, wir reden hier krachend aneinander vorbei.“

Es entstand eine dieser schrecklichen Pausen, die während eines Interviews nicht entstehen sollen – dann räusperte ich mich und sagte, dass wir uns offenbar festgefahren hätten. „Sorry, my English“, stotterte ich verlegen.

Mein Interviewpartner reagierte total herzlich und lachte – der Knoten war gelöst. „You want to talk about my Notebook?“, fragte der Regisseur, „sorry, I don´t understand you.“ Ich suchte nach Synonymen: „Yes, your Laptop, your Computer!“

Da klingelte es bei meinem Gegenüber. „Ahhhhhhh, Sie wollen wissen, wie es im Inneren meines Computers aussieht?“ „Ja genau!“, rief ich glücklich. „Ahhh, Sie wollen wissen, welche Abenteuer ich in meinem eigenen Computer erleben könnte?“ – „Ja genau!“

Er lachte schallend. „Das ist eine richtig coole Idee – wir machen das Interview noch einmal von vorn.“ Ich fragte, warum wir uns nicht verstanden hatten – und er erklärte mir, dass er das Wort „Notebook“ nur im Sinne von „Notizblock“ verwenden und niemals für einen Laptop oder Computer benutzen würde.

Hand — Stirn. Wieder was gelernt, dachte ich und schwor mir, in Zukunft weniger komplex zu fragen, wenn ich Englisch reden muss.

Manchmal erlebe ich auch, wie andere an Sprachbarrieren scheitern. Ich werde nie vergessen, was ich im Jahr 2008 auf der Berlinale – den Filmfestspielen in Berlin – erlebte. Ich besuchte eine Pressekonferenz, auf der Penelope Cruz und Sir Ben Kingsley ihren damals neuen Film „Elegy“ vorstellten. Der Moderator der Pressekonferenz erklärte, dass Englisch gesprochen werde: Die Journalisten fragten auf Englisch, die Schauspieler, Regisseurin und Produzent antworteten auf Englisch.

So weit so gut – doch dann meldete sich eine Kollegin von „Spanish Radio“ und bat darum, dass Penelope ein paar Wörter auf Spanisch sagen dürfe. Der Moderator erlaubte es. Die spanische Journalistin fragte, wie die Zusammenarbeit mit Regisseurin Isabel Coixet gewesen war – und Penelope antwortete in einem Höllentempo auf Spanisch. Sie redete und redete, gestikulierte und lachte. Als ihr spanischer Redefluss versiegte, beugte sich Sir Ben Kingsley nach vorn ans Mikro. „Shall I translate it?“, fragte er – und der Moderator (der offensichtlich kein Spanisch sprach) nickte dankbar. Sir Ben räusperte sich und deutete auf die Regisseurin: „Penelope said: She is a fucking Genius.“

Schallendes Gelächter im Saal. Die spanische Journalistin nutzte die Verwirrung und rief eine Anschlussfrage aufs Podium: Wie denn die Zusammenarbeit mit Sir Ben Kingsley gewesen sei.

Bevor der Moderator eingreifen konnte, antwortete Penelope bereits: Ausführlich – lachend – das einzige, das in ihrem rasend schnellen spanischen Wortschwall immer wieder verständlich war, das waren die Worte „Sir Ben“. „Sir Ben blablabla lach lach Sir Ben lach lach blablablabla“ – sie redete und redete, bis sie aufhörte.

Sir Ben beugte sich ans Mikro: „Shall I translate it?“

Das Gelächter im Saal startete umgehend – und er kommentierte mit bierernster Miene: „She said: I am a fucking Genius, too.“

 

Lehrjahre sind keine Leerjahre

Manchmal tun die Menschen so, als sei mein Beruf gar kein richtiger. Dass ein Chirurg lernen muss, wo er das Messer anzusetzen hat, das steht außer Frage. Dass ein Jurist den Umgang mit dem Gesetz lernen muss, ist logisch. Dass ein Handwerker beigebracht bekommt, wie er korrekt den Hammer schwingen soll – natürlich. Aber das bisschen Artikel schreiben, das macht sich doch von allein – oder nicht?

Mitnichten, liebe alle. Wer den Journalismus ernst nimmt – was zugegebenermaßen nicht jeder tut -, der muss sein Handwerk lernen. Der muss lernen, wie man recherchiert. Wie man einen Artikel verfasst. Wie man Stilformen richtig nutzt. Wie man Überschriften schreibt. Wie die Branche tickt.

Ich habe Diplom-Journalistik in Eichstätt studiert. Tatsächlich, so etwas gibt es. Neun Semester Journalistik – mit Universitätsdiplom zum Abschluss. Was ich in dieser Zeit besonders genossen habe, waren die zahlreichen Praktika bei verschiedenen Medien. Radio, Fernsehen, Zeitung, Zeitschrift – das Internet war damals gerade erfunden, und ob sich das durchsetzen würde, wusste man noch nicht -, und die Erfahrungen dort möchte ich nicht missen.

Unvergessen, als ich mit meinen Kommilitonen zusammen eine Morning Show gestalten durfte – wir sendeten „wie live“ unter der Aufsicht eines Profis vom Bayerischen Rundfunk. Das Ganze war eine Übung – wir waren nicht wirklich zu hören. Aber wir trainierten, wie wir als Team zusammenarbeiten mussten, damit eine ganze Stunde Sendung zustande kommen konnte. Ich durfte der Bestimmer sein: Ich koordinierte die vorproduzierten Einspieler, gab dem Moderator Handzeichen, wie lange er noch reden durfte und war verantwortlich fürs Zeitmanagement. Wir hörten die Originalnachrichten des Bayerischen Rundfunks – und danach taten wir so, als würden wir uns aufschalten. Eine ganze Stunde lang lief unsere Sendung – und mein Job war es, zum Ende wieder nahtlos an den wirklichen Bayerischen Rundfunk zu übergeben. Es gelang – fast zumindest. Die Zeiger der Uhr rückten unerbittlich voran, unser letzter Einspieler war zu Ende, der Moderator verabschiedete sich rasend schnell – doch leider ein klein wenig zu lang – und als wir die Sendung beendeten und das echte Radioprogramm wieder hochfuhren, hatten wir leider die ersten Sekunden der Nachrichten abgeschnitten. Dennoch gab es ein dickes Kompliment der Profis für unsere Teamarbeit.

Bei einer weiteren Übung war ich dann tatsächlich live im Bayerischen Rundfunk zu hören: Ich durfte die Verkehrsnachrichten vorlesen. Und – Leute: Ich war sterbensaufgeregt…

Sehr gern denke ich auch an meine Zeit beim ZDF zurück, als ich die Semesterferien beim „Mittagsmagazin“ verbringen durfte. In der Anfangszeit war es mein Job, den Moderatoren der Livesendung zuzuarbeiten. Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, jeden Morgen alle Korrespondenten anzurufen, kurz die Inhalte ihrer Filmbeiträge zu notieren und vor allen Dingen den letzten Satz ihres Beitrags aufzuschreiben. Den lernten die Moderatoren auswendig und wussten dann in der Livesendung, dass der eingespielte Beitrag gleich zu Ende sein und sie wieder auf dem Fernsehschirm zu sehen sein würden. Sobald sie den Satz hörten, knipsten sie ihr Kameralächeln wieder an – ich durfte also keine Fehler machen.

Machte ich auch nicht. Ich war der weltbeste Letzter-Satz-Notierer – bis… nun…

Ich war pünktlich zum Dienst erschienen, hatte meine Jacke ordentlich aufgehängt, meinen Platz in der Redaktion des ZDF eingenommen. Mein Redakteur legte mir die Liste der Korrespondenten hin, die für heute einen Beitrag angekündigt hatten. Ich nickte, griff nach dem Telefonhörer und fing bei der Liste wie immer ganz oben an. Unser Washington-Korrespondent war der Lieferant des ersten Beitrags, und ich freute mich darauf, ihn nun zumindest telefonisch kennenzulernen.

Rrrring, rrring… Washington hob nicht ab.

Ich wollte schon auflegen und den zweiten Kollegen auf der Liste anrufen, da klickte es in meinem Hörer und eine verschlafene Stimme grunzte: „Jaaaaaaaa?“

„Hallo, guten Morgen! Hier ist das ZDF Mittagsmagazin“, flötete ich sonnig gelaunt in den Hörer. „Sie haben für heute einen Beitrag angekündigt, und ich wollte rasch erfragen, wie Ihr letzter Satz ist.“

„Weißt du, wie viel Uhr es ist?“, bellte die Stimme in mein Ohr.

„Äh ja“, nickte ich verwirrt und antwortete wahrheitsgemäß: „Kurz nach 9 Uhr morgens.“

„Ja, bei DIR! Und bei MIR?“, brüllte Washington.

„Oh mein Gott!“ rief ich aus und dachte nur: Shit Shit Shit – Zeitverschiebung!

„Ich sag dir meinen letzten Satz!“, brüllte Washington und knallte den Hörer auf.

Ich saß noch eine halbe Minute mit dem Hörer am Ohr da.

„Hast du in Washington angerufen?“, riss mich mein Redakteur aus dem Schock.

Ich nickte.

„Geweckt?“

Ich nickte.

„Sauer?“

Ich nickte.

„Krieg ich wieder hin“, sagte mein Redakteur und lächelte mich an. „Ich ruf ihn später an und schmier ihm ein wenig Honig ums Maul.“

Tja, Lehrjahre…

 

Meine Freiheit und die Medien

Die Medien. Was haben die Medien wieder angerichtet! Falsch berichtet. Tendenziös berichtet. Die Medien lügen. Die Medien bauschen auf. Die Medien stecken alle unter einer Decke.
Stopp. Die Medien? Echt jetzt? Sie wollen ernsthaft die linke „TAZ“ mit dem „Paulinus“ zusammen in einen Topf werfen? „Katholisch.de“ mit „Bild.de“ in denselben Sack stecken? Die „Süddeutsche“ mit der „Titanic“? „RTL 2 News“ mit der „Tagesschau“?
Na gut, mögen Sie brummen. Aber irgendwie fühlt man sich doch manipuliert! Journalisten wählen ja schließlich ihre Nachrichten aus und setzen Schwerpunkte! Und bestimmt verschweigen sie Dinge, die ihnen nicht in den Kram passen.
Was machen Medien mit den Menschen? In den 20er- und 30er-Jahren war das Stimulus-Response-Modell – der Wirkungsansatz – in der Kommunikationswissenschaft weit verbreitet. Das Modell geht davon aus, dass massenhaft verbreitete Botschaften die Rezipienten – die Leser – unmittelbar erreichen. Aufgrund ihrer Eindeutigkeit werden die Botschaften sofort wahrgenommen, verarbeitet, und sie führen zu nahezu identischen Reaktionen. Kommunikation ist gleich Wirkung – die Medien sind also in der Lage, die Menschen zu manipulieren.

Wer einmal in seinem Leben eine Nachrichtenredaktion besucht hat, merkt rasch: Dort wird nicht nach einem Friss-oder-stirb-Prinzip gearbeitet. In den Konferenzen geht es hoch her. Dort wird gestritten, diskutiert – dort treffen Menschen unterschiedlichster Couleur aufeinander. Viele Zeitungen veröffentlichen Pro-und-Contra-Kommentare und bilden den redaktionsinternen Diskurs auch öffentlich ab.
Und selbst, wenn eine Zeitung einer gewissen Blattlinie folgt: Die eingangs beschriebene Vielfalt am Kiosk trägt dazu bei, dass viele verschiedene Stimmen ihre Wege zu den Lesern finden. Eine Vielfalt, die wir auch im Bereich des Radios oder Fernsehens beobachten. Wer unzufrieden mit seiner Zeitung ist, liest einfach eine andere. Wer sich von den Nachrichten des Privatfernsehens unzureichend informiert fühlt, schaltet einfach einen Fernsehkanal weiter.
Könnte es sein, dass der Mediennutzer doch nicht einfach ein willenloser Empfänger von Botschaften ist, sondern im Gegenteil sehr selbstbewusst die Medien auswählt, die er gern nutzen möchte?
In den 60ern fand dieser Gedanke auch in der Kommunikationswissenschaft Widerhall: Der Uses-and-Gratifications-Ansatz – der Nutzenansatz – war geboren. Er kehrt die Frage „Was machen die Medien mit den Menschen?“ einfach um und fragt: „Was machen die Menschen mit den Medien?“ Und damit: „Was machen die Menschen mit den Journalisten?“
Medienhäuser sind darauf angewiesen, ihre Produkte zu verkaufen. Boulevardmedien setzen auf die voyeuristischen Züge im Menschen, preisen wie Marktschreier ihre Ware an, setzen auf große Lettern und reißerische Formulierungen. Das funktioniert: Trotz stetigem Auflagenrückgang lag die verkaufte Auflage der „Bild“ im 3. Quartal 2017 laut IVW immer noch bei knapp 1,79 Millionen. Die „Süddeutsche“ schaffte es mit Qualitätsjournalismus immerhin noch auf rund 350.000 Exemplare.
Redaktionen schauen je länger je mehr darauf, was ihre Leser wollen. Testen aus, was funktioniert und was nicht. „Readerscan“ oder „Lesewert“ sind neu entwickelte Methoden, um herauszufinden, was dem Leser schmeckt. Mithilfe von Scannern markieren repräsentativ ausgewählte Leser die Artikel, die sie lesen. Sie markieren sogar die Stellen, an denen sie aus dem Artikel aussteigen. So erhalten die Redaktionen ein genaues Bild über die Vorlieben ihrer Leser – und richten sich immer mehr danach aus.
Was machen die Menschen mit den Medien und den Journalisten? Wird den Redakteuren gespiegelt, dass ausführliche Analysestücke gelesen werden? Dass Hintergrundtexte, seriöse Recherchen goutiert werden? Oder dass doch alle Leser auf die bunten Seiten springen und wissen wollen, ob Prinz Harry glücklich mit seiner Verlobten ist oder wer im „Dschungelcamp“ siegt?
Die Ergebnisse der Leserforschung sind manchmal erschütternd für Journalisten, die ihren Job ernst nehmen und nicht nur Halligalli unters Volk bringen wollen.

Darf eigentlich jeder Journalist sein? Ja. Nicht umsonst wurde der Beruf des Journalisten in Deutschland nicht zugangsgeschützt. Es gibt keinen festgelegten Bildungsweg, der Begriff „Journalist“ ist nicht geschützt. Jeder, egal ob er studiert hat oder nicht, kann sich bei einer Redaktion bewerben, sich dort ausbilden lassen und dort als Journalist arbeiten. Das ist gut so. Denn jeder soll am Grundrecht der freien Meinungsäußerung teilhaben dürfen.
Doch längst hat sich eine neue Gattung von Publizisten breitgemacht: Im Internet hat nun jeder die Möglichkeit, selbst Texte zu schreiben. Man muss nicht mehr Mitglied einer Redaktion sein, nein: Es reicht, ein bisschen zu bloggen und zu posten – und schon kann man seine Gedanken unters Volk bringen. Ohne journalistische Standards wie das Mehr-Quellen-Prinzip. Ohne, dass der Pressekodex der Deutschen Presserats anerkannt wird. Was ist wahr? Was nicht? Wer kann das noch überprüfen? Wem kann man vertrauen und wem nicht? Wer sich über einen Zeitungsartikel ärgert, der ruft bei der Zeitung an oder schreibt einen Leserbrief. Der kann mit dem Verfasser des Textes diskutieren. Aber: Wer kann den Urheber eines x-fach geteilten Facebook-Postings herausfinden? Ihn fragen, woher er seine Informationen hat? Diese auf Richtigkeit überprüfen?
Und: Wie sieht es mit der Vielfalt der Meinungen im Internet aus? Am Kiosk herrscht Vielfalt – das kann jeder überprüfen. Es gibt unzählige Fernsehkanäle und Radiosender – auch das ist leicht überprüfbar. Was ist mit dem Internet?

Internetkonzerne haben eine typische Angewohnheit: Sie wollen herausfinden, was ihren Nutzern gefällt, um ihnen dann ideal für sie zugeschnittene Angebote zukommen zu lassen. „Wer dieses Buch kaufte, interessierte sich auch für jenes Buch“ – der Hinweis auf dem Einkaufsportal Amazon ist fast schon sprichwörtlich geworden. Personalisierung nennt das die Branche, auch Google und viele andere große Plattformen treiben sie voran: Der Nutzer soll im Internet bevorzugt das zu sehen bekommen, was zu seinem Profil passt.
Facebook arbeitet mit ähnlichen Algorithmen: Welche Seiten liked der Nutzer? Wann klickt er „Gefällt mir“? Dies wird analysiert, um dann entsprechende Seiten zu empfehlen. Wer Facebook zur Information nutzt, läuft nun Gefahr, in eine sogenannte Filterblase zu geraten. Die Kommunikationswissenschaft kennt diesen Begriff seit 2011. Eli Pariser schrieb, dass eine Filterblase entstehe, weil Internetseiten versuchen, algorithmisch vorherzusagen, welche Informationen der Benutzer auffinden möchte, basierend auf den Infos, die die Internetseite über den Nutzer weiß: Standort, Suchhistorie, Klickverhalten. Daraus resultiert laut Pariser eine Isolation gegenüber Informationen, die nicht dem Klickverhalten des Benutzers entsprechen. Der Benutzer werde also in einer Blase isoliert.
Stimmt diese Theorie? Machen Sie den Test bei sich selbst: Was tun Sie, um nicht in eine Filterblase zu geraten? Wie wählen Sie Ihre Informationsquellen aus? Wie gehen Sie mit Informationen um, die nicht Ihrer politischen und religiösen Meinung entsprechen? Lesen Sie Texte, die Sie ärgern und herausfordern? Hören Sie anderen Meinungen zu? Lassen Sie sich auf Argumente der anderen ein?
Der beste Schutz gegen Manipulation und bester Garant für Freiheit ist Meinungsvielfalt.

Klemmbretter und Playboys

Begegnungen mit Prominenten sind immer spannend. Das kann ganz schön überraschend sein. Zum Beispiel, als ich auf die Frankfurter Buchmesse eingeladen wurde, um Rolf Eden zu treffen, der seine Autobiografie bewerben wollte. Ja, jetzt mögen Sie die Stirn runzeln – wie kann man sich nur freiwillig mit solch einem schleimigen Playboy treffen? Aber ich bin nun einmal grundneugierig.

Am Messestand des Lübbe-Verlags nahm mich eine flotte PR-Frau mit Klemmbrett in der Hand in Empfang. „Wer sind Sie?“ – „Defrancesco, Rhein-Zeitung“. „Mit wem haben Sie ein Gespräch?“ – „Rolf Eden.“ „Folgen Sie mir“, sagte das Klemmbrett und wuselte nach links – ich folgte -, dann nach rechts – ich hielt Schritt -, dann hierhin, bald dorthin, es redete und organisierte und telefonierte – und ich gab mir größte Mühe, das Klemmbrett nicht aus dem Auge zu verlieren.

Dann öffnete die junge Frau eine Kabuff-Tür im hinteren Bereich des Messestands, drückte mich hinein, sagte: „Sie haben 20 Minuten“ und zog die Tür zu.

Ich stand vor Ken Follett.

„Hi, nice to meet you“, strahlte mich der Brite an, stand auf und kam mir entgegen.

„Äh“, machte ich.

Das war nicht Rolf Eden.

Was sollte ich tun? Ich ließ mir von Mister „Die Säulen der Erde“ die Hand schütteln und mich zum Stuhl schieben.

Ich trat die Flucht nach vorn an – denn ganz offensichtlich hatte es eine Verwechslung gegeben. „Mr Follett, es ist so eine Ehre, Sie zu treffen – aber ich bin gar nicht Ihr Date“, sagte ich auf Englisch.

„Ach egal, setzen Sie sich, reden wir!“, strahlte Follett – offenbar fühlte er sich ein wenig vernachlässigt und einsam.

Ich zuckte die Achseln. Ken Follett – warum nicht? Seine Bücher fand ich auch toll. Besser als den schleimigen Rolf Eden, oder?

Also plauderten wir fröhlich miteinander, ich quetschte ihn aus.

Nach einer knappen Viertelstunde sprang die Tür auf und ein weiteres Klemmbrett kam hineingestürmt: „Mr Follett, Sie werden dringend von RTL erwartet!! Man vermisst Sie schon seit 15 Minuten.“

Ein wütender Blick auf mich: „Und Sie sind?“ – „Defrancesco. Rhein-Zeitung.“ – „Sie hatten aber kein Interview mit Ken Follett angemeldet!“ – „Nein, mit Rolf Eden.“ – „Und Sie sind hier, weil…?“ – „…mich Ihre Kollegin hier geparkt und dann vergessen hat.“

Das zweite Klemmbrett raschelte mit ihren Papieren herum.

„Sie müssen jedenfalls sofort mitkommen“, sagte die junge Frau streng zu Ken Follett, der brav aufstand, sich herzlich von mir verabschiedete und das Kabuff verließ.

Ich war allein. In Ken Folletts Kabuff.

„Äh“, machte ich – öffnete die Tür und spähte heraus. „Hallo?“ Ist da wer? Noch ein Klemmbrett übrig?

Irgendwann wurde ich entdeckt. „Wer sind Sie?“ – „Defrancesco, Rhein Zeitung.“ – „Und Sie wollen zu…?“ – „Rolf Eden.“ – „Der ist uns verlorengegangen.“ – „Ach was.“ – „Ja, ich wollte eben zu ihm, und er sitzt nicht in seinem Räumchen. Warten Sie bitte.“

Ich wartete also brav. Blätterte in ein paar Lübbe-Romanen.

Dann kam er. Begleitet von zwei Klemmbrettern. Irgendwo hatten sie den verlorenen Sohn gefunden.

„Habe ich jetzt ein Interview mit Ihnen?“, fragte er mich freundlich. „Ganz genau“, nickte ich. „Und Sie sind…?“ – „Defrancesco, Rhein Zeitung.“

Wir nahmen Platz und bekamen Wasser. Ich begann das Interview:

Lieber Herr Eden, eigentlich müssten wir uns doch in Cannes an der Croisette zum Interview treffen …
Aber gern, wir können gleich losfahren!

Oh, Sie sind wirklich so spontan, wie man immer behauptet …
Ja klar! Ich packe auch nicht groß meine Koffer, es macht doch viel mehr Spaß, sich das, was man braucht, in Cannes neu zu kaufen.

Wir redeten, kamen ins Gespräch – in ein richtig gutes Gespräch. Wir redeten über Beziehungen und mir fiel auf, dass er das Wort „Freund“ nicht benutzte.

Sie umgehen das Wort „Freundschaft“, richtig?
Ja, ich habe keine Freunde.

Wie traurig!
Warum denn?

Sie können einen schocken, Herr Eden …
Nein, das ist wirklich nicht traurig für mich. Dann müsste ich zu den Beerdigungen von meinen Freunden kommen und so. Nein, ich habe gute Bekannte, das reicht mir. Mit denen kann ich feiern und Urlaub machen.

Und wenn Sie mal einen Freund brauchen, weil es Ihnen schlecht geht?
Dann habe ich genug Mädchen um mich herum.

Die hören Ihnen dann zu.
Ja, klar. Die kommen auch zur Not ins Krankenhaus zu mir.

Warum verbringt man gern Zeit mit Ihnen?
Männer wollen immer, dass ich ihnen gute Ratschläge gebe, wie sie bei den Frauen landen können. Und sie wollen wissen, welche Autos ich warum ausgesucht habe und wie ich das mit meiner Villa mache. Ja, und die Frauen … (lacht)

… die wollen nur das Eine.
Nicht nur das. Die wollen vor allem schöne Geschenke, und die wollen, dass ich ihnen den neuen Busen bezahle, den sie brauchen. Oder neue Lippen, egal. Ich verschönere alle Frauen, die ich kenne.

Armer Playboy, dachte ich mir…

Sie nennen Ihr letztes Kapitel „Falls ich sterben sollte“. „Falls“ ist gut … Jeder von uns muss irgendwann ran.
Vielleicht ja nicht. Vielleicht gibt es irgendwann eine Medizin, die erfunden wird, die das Sterben verhindert.

Und wenn sie erfunden wird …
… dann bin ich der Erste, der sie einnimmt. Mir geht es einfach so gut, ich will leben so lange wie nur irgend möglich. Allein schon deshalb, weil es keinen Playboy-Nachwuchs gibt.

Es gibt keinen Nachfolger?
Nein.

Was können wir denn da tun?
Noch bin ich ja da, und wenn ich nicht mehr da bin, dann haben die Mädchen Pech gehabt. Da können wir nichts dran machen, man muss diese Berufung und Begabung in sich spüren, ein Playboy zu werden.

Also wenn sich jetzt einer unserer männlichen Leser berufen fühlt …
… dann soll er mir ein Foto von sich schicken, und dann treffe ich mich mit ihm, und dann werden wir die Sache mal richtig angehen.

Im Café an der Croisette.
Im „Festival“, das ist mein Lieblingscafé. Und dann trinken wir einen guten Champagner zusammen.

Das Klemmbrett winkte. Ende des Interviews. Ein interessanter Mensch, dachte ich noch beim Gehen. Aus den Augenwinkeln sah ich Ken Follett vor der Fernsehkamera stehen. Ich musste grinsen.

Garderobengespräche

Unvorbereitet zu einem Pressetermin erscheinen? Sollte man nicht tun. Ein paar grundlegende Dinge wie den Namen des Gesprächspartners und dessen Funktion zu kennen, erleichtert die Arbeit ungemein. Gleiches gilt, wenn man zum Interview ausrückt. Man sollte doch ganz grob wissen, mit wem man es zu tun hat.

Ich kannte seinen Namen: DJ Bobo.
Ich kannte seine Funktion: Technostar
Und ich wusste mit absoluter Sicherheit: Die Person, die mir da gegenüber saß, war definitiv nicht DJ Bobo.

Doch der Reihe nach. Ich war noch freier Mitarbeiter in unserer Lokalredaktion und kam ab und zu in den Genuss, in der lokalen Sporthalle eine Kulturveranstaltung zu besuchen. Wie zum Beispiel das Konzert mit DJ Bobo. Natürlich wollte ich den Guten auch interviewen und nervte vorab erfolgreich den Manager.

Ich kam eigens zwei Stunden vor Konzertbeginn in der Halle an, wurde am Eingang in Empfang genommen und in die Katakomben gebracht. Zu den Garderoben.

Ich hatte meine Fragen vorbereitet und griffbereit, das Diktiergerät lag in meiner Hand, der Manager öffnete die Tür zur Garderobe, schubste mich hinein, rief noch „Sie haben 15 Minuten“ und schloss die Tür.

Verdattert stand ich einer jungen Frau gegenüber. „Äh“, machte ich zur Begrüßung. „Ah, die Presse“, freute sie sich, streckte mir die Hand hin und deutete dann auf einen Stuhl. Zögernd nahm ich Platz, sie setzte sich mir gegenüber, schlug die Beine übereinander und sah mich erwartungsvoll an.

Ich räusperte mich.

Wer zum Geier… ??

Ich traute mich nicht, das Missverständnis aufzuklären. Dass ich eigentlich zu DJ Bobo wollte und nicht zu – äh …

Also ließ ich den Fragenkatalog sinken und begann, wie ein Detektiv vorzugehen.

„Sind Sie schon aufgeregt?“

„Hach, jaja“, lachte die junge Frau und quasselte los, dass sie ja immer vor dem Auftritt sehr nervös sei.

Ah – sehr gut, sie tritt also auf. Weiter, Junge, du bist gut, feuerte ich mich an.

„Müssen Sie Ihre Stimme ölen?“, fragte ich, und quasselnd erklärte mir mein Gegenüber, dass sie stets Stimmübungen machte.

Ha, das lief ja bestens. Vielleicht war das die Backgroundsängerin von DJ Bobo?

„Wollten Sie immer schon Sängerin werden?“

Wir kamen in Fahrt.

„Kennen Sie DJ Bobo schon lange?“

O ja, es sei eine große Ehre für sie, als Vorgruppe von DJ Bobo aufzutreten.

Bingo! Alle Neune! Schachmatt! Siegtor! – Die Lady war also die Vorgruppe des Schweizer Technostars. Damit würde ich später ihren Namen spielend rausfinden und ich musste mir nicht die Blöße geben, jetzt noch nach ihm zu fragen.

Viel zu schnell war die Viertelstunde um, die Tür sprang auf, der Manager kam herein. Ich verabschiedete mich und ließ mich weiter zur nächsten Garderobe schieben. Die Tür ging auf und da saß er: DJ Bobo. Und mein wirkliches Interview konnte starten.

Ja, man weiß nie, wer hinter einer Garderobentür wartet.

James Last war in meiner Stadt. Ausverkauftes Konzert. Und erneut hatte ich die Erlaubnis zu einem Garderobeninterview – diesmal in der Pause des Konzerts.

Also begab ich mich brav zum Seiteneingang neben der Bühne und wartete darauf, abgeholt zu werden. Der Manager begrüßte mich, führte mich backstage. Überall lungerten Musiker herum, quatschten, rauchten, aßen eine Kleinigkeit.

Wir kamen zur heiligen Pforte: „James Last“ stand an der Garderobentür.

Der Manager klopfte, öffnete die Tür einen Spalt. „Jaja, soll reinkommen!“, hörte man die Stimme von James Last rufen, die Tür ging auf – und ich prallte zurück: James Last trug nichts außer knappen Shorts.

„Äh“, machte ich zur Begrüßung und wollte mich entschuldigend umdrehen. „Kommen Sie rein, kommen Sie rein“, lachte James Last, schüttelte mir herzlich die Hand – und ich durfte – begleitet vom Manager – Platz nehmen und mit dem Interview beginnen.

Werden Sie Journalist, kann ich Ihnen nur raten. Da erlebense was.

 

 

Am Anfang war das Wort

Viele Meister des Wortes haben Angst. Angst vor dem Anfang. Angst vor dem weißen Blatt Papier. Sie beginnen einen Text. Löschen alles wieder. Sind unzufrieden. Beginnen von vorn.

Mist – das wird nix. Das ist langweilig. Also nochmal.

„Am Anfang war das Wort“. Steht schon in der Bibel. Aber – Himmelherrgott: WELCHES WORT? Da sitzt man nun, will einen Artikel schreiben, einen Blog, irgendwas und weiß nicht, wie man beginnen soll. Mit welchem Wort. Mit welchem Gedanken.

Nee – auch nicht gut. Bibelanspielungen versteht ja heutzutage nicht mehr jeder. Außerdem heißt es korrekt „Im Anfang war das Wort.“ Das klappt nicht. Nochmal neu.

***

Leere im Hirn.

Wie wäre es, an einem Bleistift zu kauen? Vielleicht hilft das!

Wo krieg ich jetzt einen Bleistift her…

***

Ja, das Texteschreiben kann schon mal schwierig sein. Auch für uns Profis. Wenn man denn mal im Thema ist, dann flutschen die Gedanken nur so. Dann kann man den Springbrunnen kaum kanalisieren, dann fallen die Wortspiele wie Hagelkörner vom Himmel. Aber bis man in den Flow kommt, fließen durchaus Tränen. Na – zumindest Schweißtropfen.

Dabei ist es doch eigentlich ganz einfach.

Wenn ich mit meinen Volos Reportageschreiben trainiere, dann nehme ich ihnen als Erstes die Angst vor dem Anfang. Mit ein paar ganz einfach Kniffen.

Zwei verrate ich Ihnen, geschätzte Blogleser, jetzt:

Sie können einen Text szenisch beginnen:
Donnergrollen in der Ferne. Die schwarzen Wolken haben es schon angekündigt: Das Sommergewitter ist im Anmarsch. Hektik hinter den Kulissen des Festivalgeländes. In einer Stunde soll der Topact auf der Bühne stehen, 30 000 Fans tanzen vor der Bühne – aber was, wenn der Sturm alles hinwegfegt? Abbruch oder nicht?

Sie können einen Text mit einem Ausruf beginnen:
Mist! Dreimal Mist! – Festivalchef Wolle Schmidt blickt wütend in den Himmel. Bis zuletzt hatte er gehofft, dass das Unwetter an seinem Rockfestival vorbeiziehen würde. Daraus wird nun nichts, so viel ist klar.

Und damit es nicht langweilig wird, gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, süffig in einen Text einzusteigen, der den Leser bis zum Ende nicht mehr loslässt. Wetten?

Wir Journalisten sind schon Füchse. Angst vor dem Anfang? Pff, wir doch nicht.

Allerdings – wie hören wir auf? Ich merke, wie sich die Panik vor dem Ende in mir ausbreitet.

 

April, April!

Soll noch einer sagen, wir Journalisten wären ein verkopftes Völkchen. Von wegen – wir verstehen auch eine Menge Spaß, und wir lassen es einmal im Jahr so richtig krachen. Richtig: am 1. April.

Nix mit Fake-News-Media und so: Am 1. April darf auch der seriöse Journalist den Leser gepflegt auf die Schippe nehmen – und er löst den Aprilscherz natürlich hinterher auf, damit der Leser sich auf die Schenkel klopfen und mitlachen kann. Und es ist – nebenbei gesagt – ein gutes Training für die Leserschaft. Denn Hand aufs Herz: Eigentlich haben Sie es doch beim Lesen des Aprilscherzes schon gespürt, dass da irgendwas faul ist. Dass das irgendwie komisch klingt. Dass jetzt wirklich aus dem Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich ein Indoor-Freizeitpark werden soll? (Schrieb die Rhein-Zeitung mal.) Dass jetzt wirklich im Schweizerischen Tessin Bäume gepflanzt wurden, die Nudeln tragen? (Berichtete die BBC in den späten 50ern – ein Klassiker der Mediengeschichte.) Dass Til Schweiger ARD-Nachrichtensprecher werden soll? (Behauptete schamlos die ARD selbst.)

Es ist gut, wenn Sie die Stirn runzeln: Kann das echt sein? Und danach laut lachen: Hab ich es doch gewusst – das war alles Quatsch. Reingelegt! Das schult auch die Medienkompetenz der Leserschaft.

Ich selbst würde bei so einem Quatsch natürlich nicht mitmachen. Aprilscherze.

Mmmmpppffffff — gnihihihi….. außer das eine Mal…. Damals….. Als ich noch in der kleinen Lokalredaktion arbeitete als freier Mitarbeiter….. huaaaaaaa….. da machten wir was Geniales….

Durch Bendorf – ein kleines beschauliches Städtchen am Rhein – fließt ein Bach. Ach, ein Rinnsal. Damals frisch renoviert und in ein Bachbett gelegt, das nur wenige Zentimeter tief ist. Mein Lokalchef und ich schrieben in der Zeitung, dass am 1. April morgens um 7 Uhr Lachsangeln am Bendorfer Bach sei. Herzliche Einladung.

Ich war sicher, dass der Aprilscherz nicht funktionieren würde – wie sollten denn Lachse in diesem Rinnsal schwimmen? Die würden sich ja auf ihren Bäuchen übers Bachbett schieben und müssten nicht geangelt werden – die hätte man einfach aus dem Rinnsal heben können.

„Wir brauchen jemanden, der morgens früh um 7 am Bach ist und schaut, ob Angler da sind“, sagte ich scharfsinnig und blickte meinen Lokalchef an. Der nickte und blickte mich zurück an: „Genau. Du machst das. Nimm den Fotoapparat mit.“

Merkt es euch, ihr jungen Journalisten-Padawane: Aprilscherze erst ab 11 Uhr…

Dein Name sei MD

Es kann ein ganz schöner Krampf sein, bis man den passenden Namen für sein Kind gefunden hat. Nicht wahr, liebe Eltern? Wenn man als Heranwachsender mit seinem Vornamen hadert, hat man nicht allzu viele Möglichkeiten, das Malheur zu korrigieren. Eigentlich gibt es nur zwei Auswege: Man geht ins Kloster und nimmt einen Ordensnamen an. Oder man wird Journalist. Dann bekommt man ein Kürzel.

Ich liebe meinen Namen. „Michael“ ist super. Darum war mir gar nicht bewusst, welche weitreichenden Konsequenzen es haben würde, als mein Redaktionsleiter mir seinerzeit die große Frage stellte: „Wie soll denn dein Kürzel sein?“

Mein Kürzel?

Klar, mein Kürzel. Wir Journalisten – das musste ich lernen – lesen grundsätzlich gern den eigenen Namen in der Zeitung. Der kleine Anflug von Eitelkeit sei uns gestattet. Bei großen Texten, für die wir viel recherchiert haben, schreiben wir unseren vollen, ja pracht-vollen Namen aus.

„Von Michael Defrancesco“ heißt es dann. Oder wie die Kollegen auch immer heißen.

Aber dann gibt es ja auch Häppchen-Texte. Die sind nicht schlechter oder liebloser geschrieben, aber es sind nur wenige Zeilen. Kurze und knappe Infos. Wenn wir da unseren prachtvollen Namen ausschreiben, dann kann die Autorenzeile länger als der Kurztext sein. Kommt nicht gut, klar.

Also wurde das Kürzel erfunden. So kann der geneigte Leser auch bei einem Kurztext feststellen, wer ihn verfasst hat.

Mein Kürzel – jo, was sollte ich nehmen? Meine Zeitung hat die Regel, dass das Kürzel maximal aus drei Buchstaben bestehen darf. Also zuckte ich damals als junger Bursch mit den Schultern und sagte: „Nehmen wir doch MD.“

Das Kürzel war noch nicht vergeben – also bekam ich MD zugeteilt. Es war mehr als das – es war eine Art Taufe. Denn für viele Jahre sollte ich nur noch mit meinem Kürzel angesprochen werden.

MD, kannste den Termin machen? Die ALA hat keine Zeit.

MD, hier ist der AKA, die DOS hat gerade abgesagt und der MIG will net – kannst du heute um 20 Uhr?

Lieber MD, hier ist der BUR. Toller Text, hat mir gefallen.
Danke, BUR, das ist nett von Ihnen.

Nomen est omen? Nicht im Journalismus. Bei uns liegt im Kürzel die Würzel…

 

Nur hereinspaziert!

Überlegen Sie mal kurz: Wie öffnen Sie die Tür, wenn es klingelt? Schwungvoll? Zögernd? Genervt? Freudestrahlend, „oh, ein Besuch“? Schauen Sie vorher durch den Spion?

Sie tun sich schwer damit, diese Frage zu beantworten, ich spüre das. Denn es ist eigentlich völlig egal, wie wir die Tür aufmachen – es achtet niemand darauf.

Seien Sie froh, dass Sie nicht prominent sind! Denn dann muss jedes Detail der eigenen Inszenierung stimmig sein.

Und die Inszenierung beginnt natürlich schon bei der Begrüßung.

Einfacher gestrickte Promis wählen die Variante „beschäftigt“. Sprich: Sie schütteln mir mit der rechten Hand meine Hand zur Begrüßung, während sie in der linken Hand ihr Handy halten und munter hineinquasseln. „Setzen Sie sich schon mal“, hauchen die Beschäftigten mir dann zu, um dann ein paar Schritte weiterzugehen und noch wichtige Dinge ins Handy hineinzusprechen. Dann stecken sie das Handy weg, kommen zu mir und flöten: „Jetzt gehöre ich ganz Ihnen.“

Wie aus dem Lehrbuch.

Am liebsten mag ich es hingegen, wenn mich Prominente mit großer Geste begrüßen. Unvergessen ist mein Besuch beim Zauberer Jan Rouven, der einst in Neuwied in einer Villa lebte, dann Karriere in Las Vegas machte und dann mit dem Gesetz in Konflikt kam – aber lassen wir das. Ich besuchte ihn, als er noch in Neuwied residierte. Ich klingelte und ein etwas älterer Herr öffnete die Tür: der Manager und Lebenspartner des Magiers. Er führte mich hinein in die Villa, hieß mich Platz zu nehmen. „Jan kommt gleich“, kündigte er an und servierte mir ein kühles Getränk. Dann Hundegebell: Nein, nicht Jan, sondern eine niedliche Pudeldame, die schwanzwedelnd zu mir kam und mich beschnupperte.

Und dann: „Herzlich willkommen!“, scholl es mir entgegen. Ich drehte mich um und blickte auf die Treppe, die ins Obergeschoss führte und die in diesem Moment zur Showtreppe mutierte. Auf der oberen Stufe stand Jan Rouven, das Hemd aufgeknöpft, die Haare mit Gel frisiert, ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, die Arme offen ausgebreitet – und er eilte flotten Schrittes die Showtreppe hinunter zu mir. Vor meinem geistigen Auge tanzten Showgirls um ihn herum, waberte der Bühnennebel, zuckten die Laserlichter um ihn – was für ein Auftritt.

Es dauerte einige Jahre, bis Jan Rouven seinen Meister in Sachen Begrüßung fand: Harald Glööckler.

Ich wurde in sein Chateau in die Pfalz geladen – und die Inszenierung des Modezars begann schon im Vorfeld. Das Management antwortete mir auf die Interviewanfrage mit folgendem Schreiben:

Herr Glööckler möchte das Interview mit Ihnen gerne machen. Wir werden zu gegebener Zeit mit einem Terminvorschlag auf Sie zukommen.

Ich harrte also der Dinge, wann die Zeit gegeben sein würde.

Als die Zeit gekommen war, erhielt ich den Terminvorschlag inklusive folgendem Satz:

Bitte teilen Sie bitte noch mit, ob Sie Veganer/Vegetarier oder Moslem/Hindu sind oder irgendwelche Allergien (Herr Glööckler hat einen Hund) oder Lebensmittelunverträglichkeiten haben.

Wahrscheinlich wollte mich Herr Glööckler zum Gelage laden und ordentlich auftischen, dachte ich begeistert und antwortete wahrheitsgemäß, dass ich weder Veganer/Vegetarier/Moslem/Hindu sei, aber katholisch, und keine Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten hätte, aber dass ich Hund nicht gern essen würde.

Man nahm meine Antwort schweigend zur Kenntnis und begann wohl umgehend zu kochen – und ich fuhr gemeinsam mit meiner Volontärin in die Pfalz zur geheimen Adresse von Herrn Glööckler, die man nicht verraten darf.

Angekommen, stellten wir uns vor das hohe Tor mit Sichtschutz und ohne Klingel.

Ich hatte schriftlich folgenden Auftrag bekommen:

Bitte rufen Sie hier in Berlin in der Agentur an wenn Sie da sind und geparkt haben (oder kurz vorher). Wir kündigen Sie dann bei Herrn Glööckler an und jemand wird zum Eingang kommen und Sie dort abholen.

Gehorsam rief ich in Berlin an und teilte mit, dass wir in der Pfalz angekommen seien und vor dem Eingang stünden. In etwa zehn Minuten würde uns aufgetan, hieß es. „Fein, dann machen wir noch einen kleinen Spaziergang“, sagte ich froh und löste einen mittleren Panikanfall im Telefon aus. Nein, auf keinen Fall: Wir müssten vor dem Tor sein, wenn es sich öffnete!

Natürlich – wir würden die ganze Inszenierung ruinieren!

Also warteten wir. Nickten freundlich den Passanten zu und lasen deren Gedanken: „Idioten. Wieder welche, die vor dem Glööckler-Tor warten.“

Dann hörten wir Schritte. Brust raus, Bauch rein.

Das Tor öffnete sich – und ….

Eine ältere Dame strahlte uns an: „Kommen Sie herein, Herr Glööckler erwartet Sie.“

Der Blick in den kleinen Glööckler’schen Park öffnete sich, ich erspähte griechische Statuen und einen Kiesweg, an dessen Ende sich Harald Glööckler just in dem Moment, als ich ihn erspähte, in Bewegung setzte.  Ein strahlendes Lächeln auf den Lippen, die Arme offen ausgebreitet, eilte er raschen Schrittes auf uns zu: „Herzlich willkommen!“

Zu essen gab es übrigens nichts. Wahrscheinlich war nur noch Hund dagewesen.

 

Aber bitte mit Stil

Wir Journalisten haben Stil.

Ich rede hier nicht von Umgangsformen (die von uns Journalisten sind ohnehin tadellos). Auch nicht von Anziehsachen (wir wissen ohnehin, wie man sich perfekt kleidet).

Ich rede von journalistischen Stilformen.

Lassen Sie mich erklären. Für Sie, den Nichtjournalisten, sind Texte meist einfach Texte. Sie sind (hoffentlich) interessant geschrieben – und fertig.

Wir Journalisten klöppeln jedoch nicht einfach munter auf der Tastatur herum und heraus kommen fertige Meisterwerke. Nein, wir müssen unser Handwerk lernen – und dazu gehört auch, dass wir um die verschiedenen Stilformen Bescheid wissen.

Es gibt zum Beispiel die Form der Reportage. „Gih mol raus und mach en Reportasch“ – viele junge Kollegen haben diesen Auftrag schon von ihrem Chef bekommen und wussten dann genau, was sie tun sollten: einen lebendig geschriebenen Text verfassen, der den Leser wie in einem Kinofilm in eine andere Welt mitnimmt. Der mitreißt. Der den Leser riechen, hören, schmecken, sehen lässt, was man als Journalist bei der Recherche gerochen, gehört, geschmeckt und gesehen hat.

Das ist aber nicht objektiv, sagt nun der Nichtjournalist warnend. Stimmt. Soll die Reportage auch gar nicht sein! Wer es objektiv haben will, der greift zur Stilform des Berichts. Sachlich, nüchtern formuliert. Das Wichtigste an den Anfang, so muss es seit Jahr und Tag sein.

Zu langatmig? Keine Sorge, auch dafür haben wir etwas im Köcher: Dann verfassen wir eine Meldung. Kurzes Lead – kein Gesinge, sondern die W-Fragen knackig geklärt. Dann der Body – das Futter zur Meldung, damit Sie, lieber Leser, auch wissen, was passiert ist. Alles auf 15 bis 20 Zeilen. Zack, zack.

Aber da steht gar nicht drin, was der Journalist von der ganzen Sache hält? Natürlich nicht, die Meldung und der Bericht sind ja objektiv! Wenn Sie Meinung hören wollen, dann lesen Sie einen Kommentar von uns. Dort breiten wir ausführlich aus, was wir für richtig halten.

Nicht lustig genug? Nichts leichter als das – dann greifen wir nach der flotten Feder und verfassen eine Glosse. Überspitzt, ironisch, pointiert.

Sie sehen: ein Blick in den Köcher des Journalisten zeigt, dass wir eine Menge Pfeile zur Verfügung haben, um nach Ihnen zu schießen, lieber Leser. Schiefes Bild – Verzeihung.

Wollen wir doch mal testen, ob Sie Stilformen erkennen können. Na, wozu gehört der folgende Text, den ich kürzlich schrieb?

 

Als der Schimmel verlor

Silikon ist nur etwas für echte Kerle. Wer sich ans Silikonen traut, ist auf der Heimwerkerskala ganz schön weit oben. Mein Vater und ich haben silikont. Nicht, weil wir was gegen Handwerker haben, sondern weil wir ein Gemeinschaftserlebnis wollten. Nur wir zwei gegen den Schimmel in der Dusche. Unsere Waffe: die Silikonpistole.

Und allerlei anderer Krams, den wir uns zuvor im Baumarkt aufschwatzen ließen. Ganz große Klasse: der Altes-Silikon-Rausschneider. „Ma!“, entfuhr es meinem Vater (gebürtiger Tiroler, da ruft man so, wenn man erstaunt ist), als er das Messerchen angesetzt hatte. Wir schauten gemeinsam hin: Das Silikon wurde entfernt, ja. Und gleichzeitig zwei hübsche parallele Schnittstreifen in die Fliesen gezogen. Da ich kein Fan solcher Verzierungen bin, friemelten wir das Silikon nach diversen Versuchen mit dem Teppichmesser heraus (Küchengeräte bekamen wir nicht von meiner Frau).

Dann wurde entschimmelt und zu guter Letzt das neue Silikon mit der Spritzpistole (ähnlich wie beim Plätzchenbacken, liebe Frauen und Kinder) aufgetragen. Wir waren stolz auf unser Werk, und beim Abendessen gockelte ich: „Ha, besser ging’s einfach nicht.“ Meine Frau ließ Messer und Gabel sinken: „Was willst du mir damit sagen?“ Sprach’s und flitzte ins Badezimmer, um nach dem Rechten zu sehen. Gottlob, das Vater-und-Sohn-Werk wurde abgenommen.

Ein tolles Gemeinschaftserlebnis, wirklich. Und unsere Dusche sieht aus wie neu. Der Schimmel übrigens auch – der fühlt sich unter dem neuen Silikon pudelwohl und gedeiht wieder prächtig. Ich muss meinen Vater dringend mal wieder anrufen.