Ohne Englisch sind Sie in meinem Job aufgeschmissen. Ratzfatz sehen Sie sich Menschen gegenüber, die nicht aus Deutschland kommen, und wenn Sie dann nicht English speaken, ist der Ofen aus. Ich darf von mir behaupten, dass ich des Englischen wirklich mächtig bin. Wir sind beste Freunde, das Englische und ich.
Meistens.
Ich sollte einmal ein Interview mit dem weiblichen Star von „Lord of the Dance“ machen, eine super berühmte Solotänzerin, deren Name mir leider gerade nicht mehr einfällt. Wenn es Sie interessiert, googeln Sie mal „Lord of the Dance und superberühmte Solotänzerin“ – dann wissen Sie, von wem ich rede.
Wir hatten uns zu einem Telefoninterview verabredet, und wie es guter Brauch bei Journalisten ist, hatte ich mich vorbereitet und mir einige Fragen zurechtgelegt. Natürlich schon auf Englisch, damit mein Hirn nicht während des Livegesprächs Übersetzungsaufgaben zu leisten hatte.
„Hello, this is Michael from the Rhine Zeitung“, stellte ich mich im perfekten Businessenglisch vor, und die superberühmte Tänzerin – die aus Schottland stammte, wie ich recherchiert hatte -, antwortete fröhlich und rasant.
Ich verstand kein Wort.
„Ah, yes“, sagte ich höflich. Ich ging davon aus, dass sie einfach ihren Namen genannt hatte.
Ich schoss also mit der ersten Frage los – und sie schoss gut gelaunt mit einer rasend schnell gesprochenen Antwort zurück.
„Ah, yes“, sagte ich höflich, denn ich verstand kein Wort.
Irgendwann hörte sie auf zu reden.
Sekundenpause.
Ich räusperte mich und fragte meine zweite Frage.
Sie lachte schallend – ich wusste gar nicht, dass die Frage so funny gewesen war – und antwortete rasend schnell und ausführlich.
„Ah, yes“, sagte ich höflich, denn ich verstand kein Wort.
Als sie erneut aufhörte zu reden, stellte ich die dritte Frage. Dann die vierte, die fünfte.
Der Tanzstar hatte blendende Laune, lachte, vielleicht flirtete sie sogar, ich weiß es nicht, denn ich verstand dank ihres schottischen Akzents kein Wort.
Irgendwann hatte ich alle Fragen gestellt, verabschiedete mich, sie lachte herzlich, und ich legte auf.
Zum Glück hatte ich das komplette Interview aufgezeichnet – sodass ich es mir Passage für Passage anhören konnte. Und tatsächlich: Als ich mich nach und nach einhörte, wieder und wieder dieselbe Stelle abspulte, verstand ich meine Interviewpartnerin – und ich konnte das Interview schließlich doch ins Deutsche übersetzen und verwenden.
Doch dies war noch nicht mein Worst-Case-Erlebnis. Ich durfte Joseph Kosinski, den Regisseur des Disneyfilms „Tron – Legacy“, interviewen – ein Film, in dem die Geschichte eines Menschen erzählt wird, der in einen Computer eindringt und dort Abenteuer erlebt.
Meine – durchaus komplexe – Idee war es nun, mit dem „Tron“-Regisseur eine Gedankenreise zu machen: Wie wäre es, wenn er in sein eigenes Notebook, seinen Laptop, eindringen könnte? Was würde er dort finden? Uralte Dateien aus seiner Jugend, Schadsoftware, vergessene Bilder?
Ich fragte ihn also zunächst, ob er viel mit seinem Notebook arbeitet – was er bestätigte. Er wäre sehr old fashioned und würde sein Notebook immer mit herumtragen. Ich wunderte mich, warum dies old fashioned sein würde – aber egal. Und ich fragte weiter: Ob er sich mal überlegt hätte, in sein Notebook einzudringen?, fragte ich auf English – „Did you ever dream about going into your own Notebook?“ Und was würde er dort wohl vorfinden?
„Äh“, zögerte der „Tron“-Regisseur und fragte, ob ich meine Frage wiederholen könne.
Ich versuchte es anders und fragte, wie er sich das Innere seines Notebooks vorstellen würde. „Äh – squared“, war die zögernde Antwort – „kariert“.
Nun verstand ich nur Bahnhof und begann zu stottern. Ich merkte: „Ui, des wird nix, wir reden hier krachend aneinander vorbei.“
Es entstand eine dieser schrecklichen Pausen, die während eines Interviews nicht entstehen sollen – dann räusperte ich mich und sagte, dass wir uns offenbar festgefahren hätten. „Sorry, my English“, stotterte ich verlegen.
Mein Interviewpartner reagierte total herzlich und lachte – der Knoten war gelöst. „You want to talk about my Notebook?“, fragte der Regisseur, „sorry, I don´t understand you.“ Ich suchte nach Synonymen: „Yes, your Laptop, your Computer!“
Da klingelte es bei meinem Gegenüber. „Ahhhhhhh, Sie wollen wissen, wie es im Inneren meines Computers aussieht?“ „Ja genau!“, rief ich glücklich. „Ahhh, Sie wollen wissen, welche Abenteuer ich in meinem eigenen Computer erleben könnte?“ – „Ja genau!“
Er lachte schallend. „Das ist eine richtig coole Idee – wir machen das Interview noch einmal von vorn.“ Ich fragte, warum wir uns nicht verstanden hatten – und er erklärte mir, dass er das Wort „Notebook“ nur im Sinne von „Notizblock“ verwenden und niemals für einen Laptop oder Computer benutzen würde.
Hand — Stirn. Wieder was gelernt, dachte ich und schwor mir, in Zukunft weniger komplex zu fragen, wenn ich Englisch reden muss.
Manchmal erlebe ich auch, wie andere an Sprachbarrieren scheitern. Ich werde nie vergessen, was ich im Jahr 2008 auf der Berlinale – den Filmfestspielen in Berlin – erlebte. Ich besuchte eine Pressekonferenz, auf der Penelope Cruz und Sir Ben Kingsley ihren damals neuen Film „Elegy“ vorstellten. Der Moderator der Pressekonferenz erklärte, dass Englisch gesprochen werde: Die Journalisten fragten auf Englisch, die Schauspieler, Regisseurin und Produzent antworteten auf Englisch.
So weit so gut – doch dann meldete sich eine Kollegin von „Spanish Radio“ und bat darum, dass Penelope ein paar Wörter auf Spanisch sagen dürfe. Der Moderator erlaubte es. Die spanische Journalistin fragte, wie die Zusammenarbeit mit Regisseurin Isabel Coixet gewesen war – und Penelope antwortete in einem Höllentempo auf Spanisch. Sie redete und redete, gestikulierte und lachte. Als ihr spanischer Redefluss versiegte, beugte sich Sir Ben Kingsley nach vorn ans Mikro. „Shall I translate it?“, fragte er – und der Moderator (der offensichtlich kein Spanisch sprach) nickte dankbar. Sir Ben räusperte sich und deutete auf die Regisseurin: „Penelope said: She is a fucking Genius.“
Schallendes Gelächter im Saal. Die spanische Journalistin nutzte die Verwirrung und rief eine Anschlussfrage aufs Podium: Wie denn die Zusammenarbeit mit Sir Ben Kingsley gewesen sei.
Bevor der Moderator eingreifen konnte, antwortete Penelope bereits: Ausführlich – lachend – das einzige, das in ihrem rasend schnellen spanischen Wortschwall immer wieder verständlich war, das waren die Worte „Sir Ben“. „Sir Ben blablabla lach lach Sir Ben lach lach blablablabla“ – sie redete und redete, bis sie aufhörte.
Sir Ben beugte sich ans Mikro: „Shall I translate it?“
Das Gelächter im Saal startete umgehend – und er kommentierte mit bierernster Miene: „She said: I am a fucking Genius, too.“